

Vor etwa zwei Jahren war die Welt entsetzt, als die Hamas 1.200 israelische und internationale Zivilisten tötete und 251 entführte. Diejenigen von uns, die die Tragödie im Gazastreifen lange verfolgt hatten, empfanden sofort auch Mitgefühl für die Millionen von Zivilist*innen in Gaza, die bereits unter Apartheid-Bedingungen lebten. Viele von uns versuchten, beides zu vereinen – die Trauer um die getöteten Jüd*innen und die Angst vor der Verwüstung, die den Palästinenser*innen bevorstand.
In den darauffolgenden Jahren wurde es sogar gefährlich, diese gemeinsame Trauer auszusprechen. In ganz Europa und den USA wurde berechtigte Kritik an der israelischen Politik teils durch den Missbrauch des Begriffs Antisemitismus unterdrückt. Die Ironie ist kaum zu übersehen: Während der echte Antisemitismus in der extremen Rechten zunimmt – und oft ignoriert wird –, wird der Begriff selbst zu einer politischen Waffe, um diejenigen zum Schweigen zu bringen, die ihre Solidarität mit den Palästinenser*innen bekunden, und um Aktivismus im Allgemeinen zu kriminalisieren. Diese Umkehrung verzerrt den öffentlichen Diskurs und gefährdet sowohl jüdische als auch palästinensische Verbündete, indem sie die wahren Wurzeln des Antisemitismus verdeckt: Nationalismus, Rassismus und Autoritarismus.
Unterdessen wurden fast 70.000 Palästinenser*innen getötet, unzählige weitere verletzt und sämtliche Institutionen im Gazastreifen zerstört. Und im Sudan – wo die Zivilbevölkerung hungert und vor einem Krieg flieht, über den in den Nachrichten kaum berichtet wird – wiederholen sich die Muster der Vernachlässigung und des Schweigens.
Als With Wings and Roots versuchen wir eine einfache Überzeugung zu aufrechtzuerhalten: Die Unantastbarkeit jüdischen und palästinensischen Lebens muss gleichermaßen gewahrt werden. Diese Überzeugung, die auf tiefen Freundschaften und gemeinsamer Menschlichkeit beruht, war auch Basis für einen kleinen Workshop im vergangenen Jahr in Kairo – ein Raum, der Kreativität und Heilung inmitten sich überschneidender Krisen ermöglichen sollte.

Participants learned documentary storytelling using accessible technologies
Das Ausmaß der Zerstörung in Gaza und im Sudan kann einen lähmen. Angesichts dieses Leids fühlen wir uns oft ohnmächtig. Doch dank unserer Kontakte vor Ort beschlossen wir, ein kleines Risiko einzugehen und Hilfe anzubieten: einen Workshop zum Filmemachen für sudanesische und palästinensische Geflüchtete in Kairo. Würden wir inmitten all des Leids einen Raum für Geschichten, Heilung und Verbundenheit schaffen können?
Gemeinsam mit ägyptischen, palästinensischen und sudanesischen Kollegen haben wir es geschafft. Das Projekt wurde von der Filmemacherin Manar El-Zohery geleitet, die bei uns ein Praktikum im Rahmen der FROM HERE-Kampagne absolviert hatte. Sie gestaltete maßgeblich das Konzept und wir waren zudem froh, eine Mikroförderung vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) zu erhalten, um die Workshops umzusetzen. Als Manar den Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen veröffentlichte, erwarteten wir einige Dutzend Bewerbungen – stattdessen haben sich 1.600 Personen beworben.
Drei Monate lang trafen sich 25 Teilnehmende regelmäßig in Kairo, um das Filmemachen zu erlernen und sich über ihre Erfahrungen als Geflüchtete auszutauschen: die Trauer über den Krieg, die Isolation und den Mangel an Möglichkeiten – selbst was das Spielen der Kinder betraf. Da Manar schnell erkannte, wie viel Leid hier zutage trat, zog sie eine Kunsttherapeutin hinzu, die den Prozess begleitete.

Workshop participant Khalil Kounan’s film who has been interviewed for Palestinian and Egyptian TV
Eine Geschichte, die ich noch mit mir trage, stammt von Khalil. Er kümmerte sich um seine chronisch kranke Mutter, unterstützte seine Frau während ihrer Krebsbehandlung und zog drei Kinder groß – und das alles, während er als Flüchtling überlebte. Mit der Unterstützung von Manar, den anderen Trainer*innen und seinen Mitstreitenden stellte er seinen Film fertig. Seitdem wurde er zu Auftritten im ägyptischen und palästinensischen Fernsehen eingeladen.
Auch andere Teilnehmende setzten ihre Filmprojekte fort: Eine Person erhielt einen Preis von Al Jazeera, eine andere nahm an einem erweiterten Filmförderprogramm teil, und eine weitere wird ihren Film in Bagdad zeigen. Nicht alle schlossen ihr Projekt ab. Aber auch diejenigen, die es nicht schafften, blieben in Kontakt – und bildeten so eine Gemeinschaft, die bis heute Bestand hat.
Meine Verbindung zum Sudan reicht bis ins Jahr 2001 zurück, als meine Mutter und ich junge sudanesische Flüchtlinge in Seattle willkommen hießen, die von ihren Familien getrennt worden waren. Wir sahen Männer, die Völkermord und Flüchtlingslager überlebt hatten, in den USA gegen strukturelle Barrieren ankämpfen. Es war eine ernüchternde Erfahrung: Die Flucht vor dem Krieg ist erst der Anfang.
Was ich in Kairo sah, bestätigte diese Erkenntnis. Überleben ist das eine. Sich aber wieder lebendig zu fühlen – kreativ zu sein, Kontakte zu knüpfen, die eigene Geschichte zu erzählen – erfordert ein Mehr an Gemeinschaft, Mut und Solidarität. Die überwältigende Zahl der Bewerber zeigt, wie groß der Bedarf an Orten ist, die dies ermöglichen.

Participant Jumana Mallah won the Al Jazeera Youth Filmmaker Award for her film „Matter of Days”
Wir schreiben dies in einer heiklen Phase – es herrscht zwar ein brüchiger Waffenstillstand und die Kämpfe sind beendet, doch die Zivilbevölkerung in Gaza und im Sudan ist weiterhin unvorstellbaren Gefahren ausgesetzt, und die Hungersnot im Sudan geht fast unbemerkt weiter.
Wir sind zutiefst dankbar für jede Bewegung hin zu einem dauerhaften Frieden – für jeden Moment, in dem das grundlegende Recht auf Leben und das Recht, die eigene Geschichte zu erzählen, auch nur kurzzeitig wiederhergestellt werden kann. Und wir wissen, dass Überleben allein nicht genügt.
Dieser Workshop wurde durch einen kleinen Zuschuss ermöglicht, aber der Großteil der Arbeit wurde von Freiwilligen geleistet. Ohne Aufwandsentschädigung oder Ausrüstung produzierten die Teilnehmenden bedeutende Filme und eine Gemeinschaft, die unsere Erwartungen übertrafen.
Für uns bei With Wings and Roots war dies erst der Anfang. Wir möchten weiterhin Workshops in Kairo veranstalten, die geflüchteten Filmemacher*innen sowohl Werkzeuge als auch Räume der Solidarität bieten – und ihre Geschichten einem weltweiten Publikum zugänglich machen.
👉 Spende für Khalils GoFundMe-Kampagne
👉 Spendet für zukünftige Workshops in Kairo.
👉 Veranstaltet eine Vorführung von Kurzfilmen der Geschichten von Vertreibung und Zugehörigkeit
Denn in Zeiten wie diesen – wenn Gewalt und Hungersnot die Schlagzeilen beherrschen – sind selbst die kleinsten Akte des Geschichtenerzählens Akte des Überlebens.

Workshop Participants with their certificates following the completion of the program
